Das OLG Naumburg hat entschieden, dass eine unzureichende Protokollierung des Selbstleseverfahrens in einem Strafverfahren zur Aufhebung des Urteils führt.
Das AG Stendal hatte den Angeklagten wegen falscher uneidlicher Aussage zu einer auf Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt. Auf seine Berufung hatte das LG Stendal dieses Urteil abgeändert und gegen den Angeklagten wegen falscher uneidlicher Aussage vor einem nationalen Untersuchungsausschuss eine zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe von neun Monaten verhängt.
Das OLG Naumburg hat die Verfahrensrüge des Angeklagten für erfolgreich erachtet. Es hat das Urteil des LG Stendal aufgehoben und an eine kleine Strafkammer des LG Magdeburg zurückverwiesen.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts gibt das Protokoll der vor dem Landgericht durchgeführten Hauptverhandlung die Beachtung einer wesentlichen Verfahrensvorschrift nicht wieder. Das Landgericht habe die Verurteilung des Angeklagten unter anderem auf den Inhalt mehrerer Urkunden gestützt, die es im sog. Selbstleseverfahren in die Hauptverhandlung eingeführt hat. Dieses Verfahren ersetze die grundsätzlich gebotene Verlesung aller Urkunden und als Beweismittel dienender Schriftstücke. Es setze voraus, dass die Richter und Schöffen vom Wortlaut der Urkunde oder des Schriftstücks Kenntnis genommen und die übrigen Beteiligten Gelegenheit zur Kenntnisnahme hatten. Die Beachtung dieser Vorgaben sei in das Protokoll der Hauptverhandlung aufzunehmen. Das Protokoll der vor dem Landgericht geführten Hauptverhandlung enthalte an zwei Stellen die erforderlichen Feststellungen über die Ordnungsmäßigkeit des Selbstleseverfahrens nicht. So lasse es in einem Fall nicht erkennen, ob die Berufsrichter Kenntnis vom Wortlaut der Urkunde hatten. Hinsichtlich einer weiteren Urkunde enthalte das Protokoll keine Feststellung darüber, ob die übrigen Verfahrensbeteiligten Gelegenheit hatten, von ihrem Wortlaut Kenntnis zu nehmen.
Ob das Selbstleseverfahren ordnungsgemäß durchgeführt wurde, könne ausschließlich anhand des Protokolls der Hauptverhandlung festgestellt werden. Da das Protokoll des Landgerichts die dazu erforderlichen Feststellungen nicht enthielt, sei es dem OLG Naumburg verwehrt, im Wege des Freibeweises zu überprüfen, ob die entscheidungserheblichen Urkunden doch ordnungsgemäß in die Hauptverhandlung eingeführt wurden. Da nicht auszuschließen sei, dass die Verurteilung des Angeklagten auf dem Verfahrensverstoß beruhte, hat das Oberlandesgericht das Berufungsurteil mit seinen Feststellungen aufgehoben.
Quelle: juris GmbH
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