Die Europäische Kommission hat am 27.11.2013 ein Legislativpaket vorgelegt, das den EU-Bürgern bessere Verfahrensgarantien in Strafverfahren in allen EU-Staaten bieten soll.
Die Vorschläge sollen die Achtung der Unschuldsvermutung und das Recht auf Anwesenheit in der Verhandlung sowie besondere Verfahrensgarantien für Kinder gewährleisten, die einer Straftat verdächtigt oder beschuldigt werden.
Dazu erklärte Kommissionsvizepräsidentin Viviane Reding, zuständig für Justiz: „Die heutigen Vorschläge stellen sicher, dass unsere Bürger in Situationen, in denen sie Schutz besonders dringend benötigen, Prozesskostenhilfe in Anspruch nehmen können, dass für Kinder, die unter Tatverdacht stehen, besondere Verfahrensgarantien gelten und dass die Unschuldsvermutung in ihrem Kern überall in der EU beachtet wird. Unionsbürger müssen darauf vertrauen können, dass sie auf ihren Reisen innerhalb der EU ähnlich geschützt sind wie in ihrem Heimatstaat.“
Insgesamt enthält das vorgelegte Legislativpaket fünf Vorschläge:
- Eine Richtlinie zur Stärkung bestimmter Aspekte der Unschuldsvermutung und des Rechts auf Anwesenheit in der Verhandlung in Strafverfahren: Bürger, die von der Polizei oder der Justiz einer Straftat verdächtigt oder beschuldigt werden, können sicher sein, dass die Unschuldsvermutung für sie gilt. Im Einzelnen bedeutet das, dass sie 1) vor einer rechtskräftigen Verurteilung in öffentlichen Erklärungen und amtlichen Beschlüssen nicht als schuldig dargestellt werden dürfen; dass 2) die Beweislast bei der Staatsanwaltschaft liegt und Zweifel dem Verdächtigen oder Beschuldigten zugutekommen; dass 3) das Aussageverweigerungsrecht garantiert ist und nicht gegen den Verdächtigen oder Beschuldigten verwendet werden darf, um eine Verurteilung zu erreichen, und dass 4) der Beschuldigte das Recht hat, bei der Verhandlung anwesend zu sein (siehe Erläuterungen im Anhang).
- Eine Richtlinie über besondere Verfahrensgarantien für Kinder, die einer Straftat verdächtigt oder beschuldigt werden: Kinder, die aufgrund ihres Alters besonderen Schutz benötigen, müssen in allen Phasen des Strafverfahrens durch einen Rechtsbeistand vertreten sein. Dies bedeutet, dass Kinder auf ihr Recht auf Unterstützung durch einen Rechtsbeistand nicht verzichten können, da sie andernfalls Gefahr laufen würden, die Folgen ihres Handelns nicht zu verstehen. Weitere Verfahrensgarantien umfassen das Recht, umgehend über die Kindern zustehenden Rechte informiert zu werden, das Recht, von den Eltern (oder anderen geeigneten Personen) unterstützt zu werden, das Recht, nicht öffentlich befragt zu werden, das Recht auf medizinische Untersuchung und bei Freiheitsentzug das Recht auf von Erwachsenen getrennte Unterbringung.
- Eine Richtlinie über das Recht auf vorläufige Prozesskostenhilfe für Personen, die einer Straftat verdächtigt oder beschuldigt werden, und für Personen, gegen die ein Europäischer Haftbefehl erlassen wurde: Verdächtige oder Beschuldigte sollen bereits in einem frühen Stadium des Strafverfahrens, wenn sie besonders schutzbedürftig sind (vor allem, wenn ihnen die Freiheit entzogen ist), Prozesskostenhilfe erhalten. Auch Personen, die auf der Grundlage eines Europäischen Haftbefehls festgenommen wurden, sollen Prozesskostenhilfe in Anspruch nehmen können (siehe Erläuterungen im Anhang).
Diese Legislativvorschläge werden durch zwei Empfehlungen der Kommission an die Mitgliedstaaten ergänzt:
- Eine Empfehlung zu Verfahrensgarantien in Strafverfahren für verdächtige oder beschuldigte schutzbedürftige Personen: Schutzbedürftige Personen (z. B. Menschen mit einer körperlichen oder geistigen Behinderung) müssen als solche erkannt und anerkannt werden, damit ihre besonderen Bedürfnisse im Strafverfahren berücksichtigt werden können. Wenn die Betroffenen dem Verfahren nicht folgen können oder die Folgen ihres Handelns (z. B. Ablegen eines Geständnisses) nicht verstehen, führt dies zu einer „Ungleichheit der Waffen“ im Verfahren. Für schutzbedürftige Verdächtige oder Beschuldigte werden besondere Verfahrensgarantien empfohlen, darunter die zwingende Beiordnung eines Rechtsbeistands, die Unterstützung durch eine geeignete dritte Person und medizinische Unterstützung.
- Eine Empfehlung zum Recht auf Prozesskostenhilfe in Strafverfahren für Verdächtige oder Beschuldigte: Für die Prüfung des Anspruchs auf Prozesskostenhilfe werden gemeinsame Kriterien festgelegt. Ein weiteres Anliegen ist die Sicherung der Qualität und Leistungsfähigkeit der im Rahmen der Prozesskostenhilfe erbrachten Dienstleistungen und deren Verwaltung.
Jedes Jahr werden in der EU über neun Millionen Strafverfahren eingeleitet. Ohne gemeinsame Mindestvorschriften, die ein gerechtes Verfahren garantieren, würden Justizbehörden eine Person nur ungern an ein Gericht in einem anderen Land überstellen. Das kann zur Folge haben, dass EU-Vorschriften zur Verbrechensbekämpfung – wie der Europäische Haftbefehl – nicht in vollem Umfang angewandt werden.
Quelle: press release database, europa.eu
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