Der EuGH hat am 10.7.2014 entschieden, dass der Handel mit berauschenden Kräutermischungen, die synthetische Cannabinoide enthalten und als Ersatz für Marihuana konsumiert werden, zumindest derzeit nicht bestraft werden kann, weil diese sogenannten „Legal-High-Produkte“ nicht unter das Arzneimittelgesetz fallen und auch nicht im Betäubungsmittelgesetz aufgeführt sind.
Dieses Ergebnis kann schließlich nicht dadurch in Frage gestellt werden, dass es, wie sich aus den Vorlageentscheidungen ergibt, zur Folge hätte, dass der Vertrieb der in den Ausgangsverfahren fraglichen Stoffe jeder Strafverfolgung entzogen ist. Insoweit genügt die Feststellung, dass das Ziel, das Inverkehrbringen schädlicher Stoffe wie der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden zu bestrafen, weder auf die Definition des Arzneimittelbegriffs der Richtlinie 2001/83 noch auf die etwaige Einstufung dieser Stoffe als Arzneimittel auf der Grundlage dieser Definition Einfluss haben kann.
Der Begriff „Arzneimittel“ im Unionsrecht ist u.a. in Art. 1 Nr. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 06.11.2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel – ABl. L 311, 67 in der durch die Richtlinie 2004/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31.03.2004 – ABl. L 136, 34 geänderten Fassung definiert. Nach dieser Bestimmung sind Arzneimittel „alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die im oder am menschlichen Körper verwendet oder einem Menschen verabreicht werden können, um entweder die menschlichen physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder eine medizinische Diagnose zu erstellen“.
Der EuGH hat entschieden, dass der Arzneimittelbegriff Stoffe nicht einschließt, die – wie Kräutermischungen mit synthetischen Cannabinoiden – in ihrer Wirkung die physiologischen Funktionen schlicht beeinflussen, ohne geeignet zu sein, der menschlichen Gesundheit unmittelbar oder mittelbar zuträglich zu sein, die nur konsumiert werden, um einen Rauschzustand hervorzurufen, und die dabei gesundheitsschädlich sind.
Der EuGH hat damit Fragen des BGH beantwortet, der im Rahmen zweier Strafverfahren zu entscheiden hat, ob der Verkauf von Kräutermischungen, die synthetische Cannabinoide enthalten und als Ersatz für Marihuana benutzt werden, strafrechtlich unter dem Gesichtspunkt des illegalen Verkaufs bedenklicher Arzneimittel verfolgt werden kann. Zwei Verkäufer solcher Mischungen (Herr D. und Herr G.) wurden von den Vorinstanzen wegen des Verkaufs bedenklicher Arzneimittel zu Freiheitsstrafen von einem Jahr und neun Monaten auf Bewährung (Herr D.) bzw. vier Jahren und sechs Monaten (Herr G.) verurteilt; im Falle von Herrn G. wurde zudem ein Wertersatzverfall i.H.v. 200.000 Euro angeordnet. Zu der für die Sachverhalte maßgeblichen Zeit fielen synthetische Cannabinoide nicht unter das deutsche Betäubungsmittelgesetz, so dass von den deutschen Behörden auf der Grundlage dieses Gesetzes keine Strafverfolgung eingeleitet werden konnte.
Der Konsum der in Rede stehenden synthetischen Cannabinoide führe im Allgemeinen zu einem Rauschzustand, der von gehobener Stimmung bis hin zu Halluzinationen gehen könne. Er könne auch Übelkeit, heftiges Erbrechen, Herzrasen, Desorientierung, Wahnvorstellungen und sogar Kreislaufversagen hervorrufen. Die besagten synthetischen Cannabinoide seien von der Pharmaindustrie im Rahmen vorexperimenteller Studien getestet worden. Die Testreihen wurden bereits in der ersten experimentell-pharmakologischen Phase abgebrochen, denn es stellte sich heraus, dass die gesundheitlichen Effekte, die man sich von diesen Stoffen versprochen hatte, nicht erzielt werden konnten und dass erhebliche Nebenwirkungen aufgrund der psychoaktiven Wirksamkeit der Stoffe zu erwarten waren.
Unter Berücksichtigung zum einen des Ziels des Unionsrechts, ein hohes Niveau des Schutzes der menschlichen Gesundheit zu erreichen, und zum anderen des Kontexts, in dem der Begriff des Arzneimittels stehe, gelange der EuGH zu dem Ergebnis, dass dieser Begriff Stoffe nicht einschließt, die in ihrer Wirkung die physiologischen Funktionen schlicht beeinflussen, ohne geeignet zu sein, der menschlichen Gesundheit unmittelbar oder mittelbar zuträglich zu sein.
Es sei darauf hinzuweisen, dass die in Rede stehenden Mischungen nach den Ausführungen des BGH nicht zu therapeutischen, sondern ausschließlich zu Entspannungszwecken konsumiert werden und dabei gesundheitsschädlich seien. In Anbetracht des Ziels, ein hohes Niveau des Schutzes der menschlichen Gesundheit zu erreichen, des Erfordernisses einer kohärenten Auslegung des Arzneimittelbegriffs und des Erfordernisses, die etwaige Schädlichkeit und die therapeutische Wirksamkeit eines Erzeugnisses in Relation zueinander zu setzen, könnten solche Stoffe nicht als Arzneimittel eingestuft werden.
Das vollständige Urteil des EuGH finden Sie hier.
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