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Betäubungsmittelstrafrecht

Fahrlässigkeit bei Cannabisfahrten BGH 4 StR 422/15

Der BGH hat entschieden, dass bei der Feststellung des analytischen Grenzwerts von 1,0 ng/ml Tetrahydrocannabinol (THC) während der Fahrt – unabhängig von der subjektiven Einschätzungen des jeweiligen Tatrichters – auf eine Sorgfaltspflichtverletzung und den subjektiven Sorgfaltsverstoß bezüglich des Fahrens unter Einwirkung berauschender Mittel zu schließen ist, solange nicht reale Anhaltspunkte vorliegen, dass der Beschuldigte keinen Rückschluss auf das Überschreiten des analytischen Grenzwertes ziehen konnte.

Zwischen den Oberlandesgerichten war bislang streitig, unter welchen Voraussetzungen der Tatrichter aus der Feststellung einer den analytischen Grenzwert von 1,0 ng/ml mindestens erreichenden THC-Konzentration im Blut eines Fahrzeugführers ein objektiv und subjektiv sorgfalts- und damit fahrlässig ordnungswidriges Verhalten i.S.d. § 24a Abs. 2 und 3 StVG folgern darf.

Das AG Lingen (Ems) hatte den Betroffenen wegen fahrlässigen Fahrens unter Einwirkung berauschender Mittel zu einer Geldbuße von 500 Euro verurteilt und ein einmonatiges Fahrverbot verhängt. Nach den durch das Amtsgericht getroffenen Feststellungen befuhr der Betroffene, für den das Verkehrszentralregister eine verwertbare Eintragung aufweist, am 20.2.2014 um 15.35 Uhr mit einem Pkw, amtl. Kennzeichen…, in Lingen den… In seinem Blut befand sich eine Menge von 1,5 ng/ml Tetrahydrocannabinol (THC). Nach der in dem Urteil vertretenen Rechtsansicht stünde wegen des gemessenen Wirkstoffgehalts fest, dass der Betroffene sich bei Fahrtantritt nicht über die Wirkungsdauer des Rauschmittels erkundigte, woran der Fahrlässigkeitsvorwurf anknüpfe. Gegen diesen Rückschluss sprechende Anhaltspunkte wie die mangelnde Fähigkeit zur Einholung von Erkundungen bestünden angesichts des Schweigens des Betroffenen nicht. Mit der eingereichten Rechtsbeschwerde erhob der Betroffene die Sachrüge und wendete sich gegen das Urteil insgesamt. Das Amtsgericht habe den Grundsatz verletzt, dass der er nicht gegen sich selbst aussagen müsse. Ferner habe es zu geringe Anforderungen an die Annahme des Fahrlässigkeitsvorwurfes gestellt. Die Generalstaatsanwaltschaft Oldenburg hat die Akten dem Gericht zur Entscheidung vorgelegt und in ihrer Stellungnahme beantragt, die Rechtsbeschwerde als offensichtlich unbegründet zu verwerfen. Das OLG Oldenburg hat die Sache dem BGH vorgelegt.

Der BGH hat entschieden, dass ein Kraftfahrer nach vorausgegangenem bewussten Konsum von Cannabis verpflichtet ist, vor Antritt der Fahrt durch gehörige Selbstprüfung – soweit erforderlich – nach Einholung fachkundigen Rats und notfalls, sofern eine eindeutige Beurteilungsgrundlage nicht zu erlangen ist, durch Abstandnahme von der Fahrt sicherzustellen, dass er nicht unter der Wirkung einer den analytischen Grenzwert zumindest erreichenden THC-Konzentration im Blut ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr führt.

Der Tatrichter sei auch in Fällen, in denen die Fahrt mit dem Kraftfahrzeug nicht im zeitlichen Zusammenhang mit dem vorausgegangenem Cannabiskonsum erfolge, aus Rechtsgründen nicht gehindert, beim Fehlen gegenläufiger Beweisanzeichen allein aus der Feststellung einer entsprechenden THC-Konzentration im Blut auf ein nach § 24a Abs. 2 und 3 StVG objektiv und subjektiv sorgfaltswidriges Verhalten zu schließen.

Vorinstanzen
AG Lingen (Ems), Urt. v. 27.03.2015 – 22 OWi (144 Js 83029/14) 14/15
OLG Oldenburg, Beschl. v. 04.08.2015 – 2 Ss OWi 142/15

Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 48/2017 v. 04.04.2017

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