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Loveparade-Strafverfahren nun doch eröffnet

Das OLG Düsseldorf hat entschieden, dass die Hauptverhandlung zur Loveparade-Katastrophe in Duisburg nun doch gegen alle Angeklagten durchgeführt werden muss.

Auf der Loveparade in Duisburg waren am 24.07.2010 21 Menschen bei einer Massenpanik ums Leben gekommen. Die 5. Große Strafkammer des LG Duisburg hatte im März 2016 die Zulassung der Anklage und damit die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt. Die eingehende Prüfung der Anklagevorwürfe und der dazu vorgelegten Beweismittel durch die 5. Große Strafkammer des LG Duisburg habe damals ergeben, dass kein hinreichender Tatverdacht besteht. Die Vorwürfe der Anklage könnten mit den vorgelegten Beweismitteln nicht bewiesen werden. Eine Verurteilung der Angeklagten sei deshalb aus Sicht des Landgerichts nicht zu erwarten.

Das OLG Düsseldorf hat auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Duisburg und verschiedener Nebenkläger im Loveparade-Strafverfahren die Anklage gegen alle zehn Angeklagten zugelassen. Die Durchführung der Hauptverhandlung wurde nun vor einer anderen, und zwar der 6. Großen Strafkammer des LG Duisburg, angeordnet.

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist eine Verurteilung der Angeklagten wegen fahrlässiger Tötung, fahrlässiger Körperverletzung bzw. fahrlässiger Körperverletzung im Amt hinreichend wahrscheinlich. Die den Angeklagten vorgeworfenen Taten seien mit den in der Anklage aufgeführten Beweismitteln mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nachweisbar. Dass die den Angeschuldigten vorgeworfenen Sorgfaltspflichtverletzungen ursächlich für die Todes- und Verletzungsfolgen waren, dränge sich nach dem Ermittlungsergebnis auf. Das Ermittlungsergebnis lege nahe, dass die unzureichende Dimensionierung und Ausgestaltung des Ein- und Ausgangssystems für die Besucher und die mangelnde Durchflusskapazität planerisch angelegt und für die Angeklagten vorhersehbar zu der Katastrophe geführt haben. Das gegenteilige Ergebnis des Landgerichts führt das Oberlandesgericht darauf zurück, dass das LG Duisburg zu hohe Anforderungen an die Annahme eines „hinreichenden Tatverdachts“ gestellt habe. Wesentliche Elemente des ermittelten Sachverhalts seien bei der Prüfung des Landgerichts nicht ausreichend berücksichtigt und deshalb nicht zur Grundlage der Entscheidung gemacht worden. Alternative Ursachen für die Katastrophe seien zwar als möglich benannt, nicht aber festgestellt worden. Das Gutachten des Sachverständigen Prof. Still sei entgegen der Annahme des Landgerichts in der Hauptverhandlung verwertbar.

Das Landgericht habe nicht den ganzen mit der Anklage vorgetragenen Sachverhalt zur Grundlage ihrer Bewertung gemacht. Gegenstand einer Anklage sei immer ein Lebenssachverhalt als Ganzer, vorliegend damit alle Aspekte im Zusammenhang mit der Planung, Genehmigung und Durchführung der Loveparade 2010. Auch wenn der Schwerpunkt der Anklagebegründung auf einer Überschreitung der maximalen Durchflusskapazität für Besucher auf der Rampe Ost gelegen habe, hätte sich die Prüfung des Landgerichts nicht auf diesen Aspekt beschränken dürfen, sondern alle weiteren Umstände der Planung, Genehmigung und Durchführung berücksichtigen müssen. Hierzu zählten die fehlende Gewährleistung einer begrenzenden Wirkung der Vereinzelungsanlagen, die fehlende Gewähr eines hinreichenden Personenzuflusses zur Veranstaltungsfläche am Rampenkopf und ein dort zu erwartender Rückstau, die Gegenstromproblematik mangels Trennung der Zu- und Ausgangswege sowie die unzureichende Dimensionierung und mangelnde Eignung des Ein- und Ausgangssystems insgesamt.

Anders als das Landgerichts sieht das OLG Düsseldorf auch ausreichende Anhaltspunkte für einen vorwerfbaren Zusammenhang zwischen den anzunehmenden Planungsfehlern und dem Eintritt der Katastrophe. Das Landgericht begründe sein gegenteiliges Ergebnis damit, dass auch andere Umstände möglicherweise alleinursächlich für die Katastrophe gewesen seien, so etwa die unterbliebene Schließung der Vereinzelungsanlagen, die Bildung von Polizeiketten oder die Einfahrt eines Polizeifahrzeugs in den Rampenbereich. Dies vermag das Oberlandesgericht nicht zu überzeugen. Weder habe das Landgericht einzelne dieser Umstände als alleinige Ursache der Katastrophe festgestellt noch sei dies ersichtlich. Sofern aber solche anderen Umstände als alleinige Ursache für die Katastrophe nicht feststellbar seien, könnten diese einen hinreichenden Tatverdacht nicht entkräften.

Das Gutachten des Prof. Still sei entgegen der Auffassung des Landgerichts sowohl prozessual als auch inhaltlich verwertbar. Weder sei von einer Befangenheit des Gutachters auszugehen noch weise das Gutachten durchgreifende inhaltliche oder methodische Mängel auf. Von einer Besorgnis der Befangenheit, also einer Voreingenommenheit des Gutachters, sei nicht auszugehen. Der Sachverständige habe sich zwar öffentlich in Vorlesungen und in einem Fachbuch zu seinem Ergebnis der Begutachtung geäußert. Dies sei jedoch weder grundsätzlich unzulässig noch folge hieraus die Festlegung auf bestimmte Ergebnisse bei der Erstattung seines Gutachtens in der Hauptverhandlung. Zwar habe sich der Sachverständige überspitzt und ironisch zur Planung und Durchführung der Loveparade geäußert. Dies habe jedoch didaktischen Zwecken und nicht der Herabwürdigung der Angeklagten gedient. Auch sieht das Oberlandesgericht keine Anhaltspunkte für eine unzulässige Einflussnahme auf den Sachverständigen durch Dritte oder eine das erforderliche Maß überschreitende Beteiligung von Hilfskräften bei der Gutachtenerstellung. Soweit das Landgericht inhaltliche und methodische Mängel des Gutachtens anführt, teilt das Oberlandesgericht diese Auffassung in entscheidenden Punkten nicht. So habe der Sachverständige beispielsweise nicht nur eine erste grobe Risikoanalyse der Planungen vorgenommen, sondern konkret ausgeführt, dass das Ein- und Ausgangssystem von vornherein unzureichend dimensioniert und ausgestaltet gewesen sei. Dieses Defizit, so der Sachverständige, habe sich in der Katastrophe auch realisiert. Ihm sei ebenso wenig vorzuwerfen, dass er seiner Begutachtung aus seiner Sicht manipulierte Besucherplanzahlen zugrunde gelegt habe. Diese Zahlen lagen jedenfalls der Planung und Genehmigung zugrunde. Sollte das Landgericht davon abweichende Besucherplanzahlen für maßgeblich erachtet haben, hätte sie diese dem Sachverständigen als Anknüpfungstatsache für seine Begutachtung mitteilen müssen. Darüber hinaus hätte es dem Landgericht oblegen, die vom Sachverständigen mitgeteilten Ergebnisse seines Gutachtens nach deutschem Recht zu bewerten. Deshalb stelle es die Eignung des Gutachtens nicht in Frage, dass der britische Sachverständige diesem ein nicht dem deutschen Strafrecht entsprechendes Rechtsverständnis zu Fragen von Kausalität und Zurechenbarkeit zugrunde gelegt oder deutsche Rechtsnormen möglicherweise nicht ausreichend berücksichtigt habe.

Quelle: Pressemitteilung des OLG Düsseldorf Nr. 13/2017 v. 24.04.2017

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