Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) hat am 15.10.2020 den Referentenentwurf zur Fortentwicklung der Strafprozessordnung und zur Änderung weiterer Vorschriften veröffentlicht.
Mit dem Entwurf soll der Opferschutz weiter gestärkt werden und das Strafverfahren weiter an die sich wandelnden gesellschaftlichen und technischen Rahmenbedingungen angepasst werden.
Bundesjustizministerin Christine Lambrecht erklärt:
„Opfer von Gewalt – seien es Frauen, Männer oder Kinder – brauchen Schutz. Wer Zuhause geschlagen oder bedroht wird, fühlt sich ausgeliefert und kann nicht frei und selbstbestimmt leben. Mit dem Gewaltschutzgesetz wurden im Jahr 2002 wichtige Vorschriften zur Bekämpfung von allgemeiner und häuslicher Gewalt geschaffen. Es gilt: Wer schlägt, muss gehen. Die Zivilgerichte können u.a. anordnen, dass der Täter die gemeinsame Wohnung verlässt und sich dem Opfer nicht mehr nähert. Ein Verstoß gegen diese Schutzanordnungen ist strafbewehrt. Ich möchte diesen wichtigen Schutz für Opfer ausweiten und verbessern, damit diese selbstbestimmt und ohne Angst leben können. Nicht nur Verletzungen und Bedrohungen des Körpers, der Gesundheit und der Freiheit sollen vom Gewaltschutzgesetz erfasst sein, sondern künftig auch Verletzungen der sexuellen Selbstbestimmung. Der Schutz vor sexualisierter Gewalt ist ein wichtiger Bestandteil eines effektiven und umfassenden Gewaltschutzsystems.
Ein weiteres wichtiges Anliegen ist der Schutz von Zeugen im Strafverfahren. Sie sollen keine Angst haben, dass ihre Wohnung aufgesucht oder ausgespäht wird. Wir stellen daher klar, dass die Nennung der vollständigen Anschrift von Zeugen weder in der Anklageschrift noch grundsätzlich bei Vernehmungen in der Hauptverhandlung oder in richterlichen Vernehmungen in Anwesenheit des Beschuldigten erfolgt. In bestimmten Fällen soll die Staatsanwaltschaft eine Auskunftssperre veranlassen, um zu verhindern, dass bei gefährdeten Zeugen die vollständige Anschrift über eine Abfrage bei der Einwohnermeldebehörde des Wohnorts erlangt werden kann.“
Zur Stärkung des Opferschutzes sollen neue Regelungen zum Schutz der Zeugenadressen in der Strafprozessordnung (StPO) geschaffen und eine Definition des Verletzten in die StPO aufgenommen werden. Daneben soll die sexuelle Selbstbestimmung als eigenes Schutzgut in das Gewaltschutzgesetz (GewSchG) aufgenommen und so der Zugang des Opfers zu familiengerichtlichen Maßnahmen nach dem GewSchG erweitert werden.
Das Recht des Ermittlungsverfahrens soll an verschiedenen Stellen modernisiert werden. Regelungslücken im Bereich der strafprozessualen Ermittlungsbefugnisse sollen geschlossen werden. Dies betrifft den Einsatz von sog. automatisierten Kennzeichenlesesystemen (AKLS) im öffentlichen Verkehrsraum zu Fahndungszwecken, aber auch das im Kern seit Schaffung der StPO unveränderte Recht der Postbeschlagnahme. Hier soll klargestellt werden, dass die Strafverfolgungsbehörden in Zukunft auch Auskunft von den Postdienstleistern über solche Postsendungen von oder an beschuldigte Personen verlangen können, die bereits ausgeliefert worden sind. Dies ist eine wichtige Neuerung, um eine effektive Strafverfolgung auch in Zeiten des vermehrten Online-Versandhandels zu gewährleisten. Gerade der vermehrte Versand von krimineller Ware – Betäubungsmittel, Waffen, Hehlerware – über das besonders abgeschottete Darknet kann mit diesem Ermittlungsinstrument besser aufgeklärt werden.
Darüber hinaus wird das Recht der Vermögensabschöpfung gestärkt, damit Maßnahmen der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung noch effektiver und weniger verfahrensintensiv angeordnet und vollstreckt werden können.
Der Entwurf wurde am 15.10.2020 an Länder und Verbände verschickt und auf der Internetseite des BMJV veröffentlicht. Die interessierten Kreise haben nun Gelegenheit, bis zum 12.11.2020 Stellung zu nehmen. Diese Stellungnahmen werden auf der Internetseite des BMJV veröffentlicht werden.
Quelle: BMJV, 15.10.2020
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