Flieht ein Verkehrsteilnehmer mit seinem Pkw vor einem Streifenwagen, um einer Polizeikontrolle zu entgehen, kann dies den Tatbestand des verbotenen Kraftfahrzeugrennens erfüllen.
Das entschied nun die 13. Kleine Strafkammer des Landgerichts Osnabrück.
Angeklagt war ein zur Tatzeit 20 Jahre alter Mann. Er fuhr am Abend des 10. Januar 2020 mit seinem Kleinwagen durch eine Gemeinde im Emsland. Dort fiel er durch seine Fahrweise einer Polizeistreife auf. Der Angeklagte hatte jedoch nach eigenen Angaben mit einem Freund gewettet, dass er sich nicht erneut von der Polizei anhalten lassen würde, nachdem er schon einige Tage zuvor kontrolliert worden war. Der Angeklagte fuhr deshalb mit hoher Geschwindigkeit durch den Ort davon. Obwohl der Streifenwagen bis auf 130 km/h beschleunigte und Anhaltesignale gab, mussten die Beamten schließlich die Verfolgung abbrechen, um keine unbeteiligten Dritten zu gefährden. Kurze Zeit darauf konnten die Beamten jedoch das Fahrzeug und damit auch den Angeklagten ausfindig machen und ihn zur Rede stellen.
Die Staatsanwaltschaft erhob aufgrund seiner Flucht Anklage gegen den jungen Mann zum Amtsgericht Meppen. Dieses sprach den Angeklagten im Sommer 2020 des verbotenen Kraftfahrzeugrennens und der Straßenverkehrsgefährdung schuldig. Es erlegte ihm unter Anwendung von Jugendrecht eine Geldauflage von EUR 1.000,00 auf und verpflichtete ihn zur Teilnahme an einem Verkehrsunterricht. Zudem entzog es dem Angeklagten die Fahrerlaubnis und verfügte eine Sperrfrist von einem Jahr für die Wiedererteilung. Das Amtsgericht wandte insoweit auf den Angeklagten als zur Tatzeit Heranwachsenden Jugendrecht an, da sein Verhalten offenkundig Ausdruck jugendlicher Unreife sei.
Das Landgericht Osnabrück bestätigte nun auf die Berufung des Angeklagten diese Entscheidung hinsichtlich der Teilnahme an einem nicht erlaubten Kraftfahrzeugrennen.
Die zuständige 13. Kleine Strafkammer wertete dabei die Flucht des Angeklagten als Teilnahme an einem – unter Beteiligung zweier Fahrzeuge veranstalteten – tatsächlichen Kraftfahrzeugrennen (§ 315d Abs. 1 Nr. 2 StGB). Sie ging damit über die Wertung der Staatsanwaltschaft in der Anklage und des Amtsgerichts in seinem Urteil hinaus. Beide hatten kein tatsächliches Rennen angenommen, sondern die Flucht des Angeklagten rechtlich als verkehrswidrige und rücksichtlose Fortbewegung im Sinne des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB, also ein quasi „simuliertes Rennen“ ohne zweiten Teilnehmer eingeordnet.
Die zuständige Kammer erläuterte dazu, die Einordnung der Polizeiflucht als nicht erlaubtes Kraftfahrzeugrennen sei insgesamt bisher kaum diskutiert worden. Es sei aber anerkannt, dass auch die Polizeiflucht vergleichbar einem klassischen Rennen ein Wettbewerbselement aufweise, hier mit dem „Ziel“ der erfolgreichen Flucht. Die Polizeiflucht berge daher dieselben Risiken wie ein verabredetes oder spontanes Rennen mehrerer Kfz aus falsch verstandenem „sportlichem Ehrgeiz“. Es entspreche deshalb dem gesetzgeberischen Willen und auch dem Wortlaut des Gesetzes, die Polizeiflucht als nicht erlaubtes Kraftfahrzeugrennen einzuordnen.
Dabei liege ein tatsächliches Rennen vor, weil mit dem Polizeifahrzeug ein zweiter Pkw beteiligt gewesen sei. Für ein verbotenes Rennen sei nicht erforderlich, dass alle Teilnehmer rechtswidrig handelten. Eine solche Einschränkung ergebe sich weder aus dem Wortlaut noch dem Zweck des Gesetzes. Daher spiele es keine Rolle, dass die Polizei zur Verfolgung und zur Nichteinhaltung der allgemeinen Verkehrsregeln bei der Verfolgung des Flüchtenden berechtigt gewesen sei. Die Beteiligung der Polizei habe der Angeklagten auch als erwartbare Reaktion auf sein rechtswidriges Handeln jedenfalls billigend in Kauf genommen.
Anders als das Amtsgericht vermochte die Kammer nach erneuter Beweisaufnahme allerdings keine konkrete Straßenverkehrsgefährdung durch den Angeklagten bei seiner Flucht festzustellen. Insbesondere konnte keine unmittelbare Gefährdung von Fußgängern festgestellt werden. Weil der Angeklagte zudem zwischenzeitlich arbeitslos geworden war, sanktionierte die Kammer die Tat des Angeklagten statt mit einer Geldauflage wie noch das Amtsgericht nun mit 80 Stunden gemeinnütziger Arbeit. Darüber hinaus hielt die Kammer an der Entziehung der Fahrerlaubnis fest. Dabei wurde die Sperrfrist bis zu einer möglichen Wiedererteilung im Hinblick auf den zwischenzeitlichen Zeitablauf auf noch drei Monate reduziert.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Pressemitteilung des LG Osnabrück Nr. 16/2021
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