18Das LG Hagen hat den Landwirt Tobias F. im Verfahren um die Gülle-Katastrophe in der Neye-Talsperre von sämtlichen Anklagevorwürfen freigesprochen.
Die Staatsanwaltschaft Hagen legte dem Landwirt Tobias F. mit der dem Verfahren zu Grunde liegenden Anklageschrift Gewässerverunreinigung in einem besonders schweren Fall (§§ 324 Abs. 1, 330 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB) und zweifache falsche Verdächtigung (§ 164 Abs. 1 StGB) zur Last. Am 18.03.2015 waren etwa 1,7 Mio. l Gülle in den Neye-Bach in Halver-Kotten und in die Neye-Talsperre in Wipperfürth gelangt. Nahezu das komplette tierische und pflanzliche Leben im Neye-Bach sowie in den dort gelegenen Fischteichen starb dadurch ab, u.a. auf Grund stark erhöhter Ammonium-Stickstoffwerte, die zeitweise ca. 800-fach über dem Richtwert lagen. In der Neye-Talsperre kam es zur biologischen Verödung. In diesem Bereich war u.a. der Ammonium-Stickstoffwert um das 500-fache und die Gesamtphosphat-Phosphorkonzentration um mehr als das 100-fache erhöht. Jedoch setzte sich der überwiegende Teil der Gülle an der Staumauer der Talsperre am Boden ab und konnte abgepumpt sowie einem Klärwerk zugeführt werden. Die Staatsanwaltschaft Hagen sah in dieser Umweltkatastrophe zunächst den Angeklagten als Verantwortlichen an und warf diesem vor, in der Tatnacht gegen 1.00 Uhr auf dem Gelände des von ihm betriebenen Bauernhofes einen von einem ca. 6.000 m3 fassenden Güllesilo zu einem Pufferbehälter führenden Schlauch abgekoppelt und diesen hangabwärts gelegt zu haben. Sodann solle der Landwirt einen den Schlauch verschließenden Schieber geöffnet haben, um die in dem Silo befindliche Gülle abzulassen. Diese solle sodann hangabwärts über unterhalb des Güllesilos befindlichen Wiesen über den Neye-Bach in die ca. vier km entfernte Neye-Talsperre geflossen sein.
Staatsanwaltschaft und Verteidigung hatten Freispruch beantragt.
Das LG Hagen hat den Landwirt Tobias F. von sämtlichen Anklagevorwürfen freigesprochen.
Nach Auffassung des Landgerichts ist dieser Tatvorwurf nach umfangreicher Beweisaufnahme, die u.a. auch die Vernehmung zahlreicher Zeugen aus dem Umfeld des freigesprochenen Landwirts umfasste, nicht als erwiesen anzusehen. Die Verurteilung eines Angeklagten setze die Gewinnung einer sicheren Überzeugung, die vernünftigen Zweifeln schweigen gebiete, voraus. Von solch einer sicheren Überzeugung sei hier aber im Rahmen einer Gesamtbetrachtung der maßgeblichen Umstände nicht auszugehen. Zunächst habe der Angeklagte kein nachvollziehbares Motiv für eine illegale Entleerung des Gülle-Silos gehabt. Im Laufe des Monats März 2015 habe der Angeklagte lediglich noch eine weitere Zwangsgeldzahlung von 2.000 Euro für die Nutzung des nicht genehmigten Gülle-Silos an die zuständige Behörde erbringen müssen. Die nächste Zahlung wäre dann erst im April 2015 fällig geworden. Bis zu diesem Zeitpunkt, hätte der Angeklagte – dies könne nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme jedenfalls nicht ausgeschlossen werden –, das Silo auf legalem und wirtschaftlich sinnvollem Wege, nämlich durch Ausbringen der Gülle auf die Felder, nach und nach leeren können. Es sei nicht ohne Weiteres davon auszugehen, dass der Angeklagte nur um die Zahlung einer Rate von 2.000 Euro zu ersparen, eine derartige Umweltkatastrophe in Kauf genommen hätte. Des Weiteren habe der Angeklagte in der Tatnacht einen Mitarbeiter bei sich übernachten lassen, den der Angeklagte in den Nachtstunden zum Kuhstall auf dem Hofgelände geschickt habe, um nach einer kalbenden Kuh zu schauen. Dies wäre aber vor dem Hintergrund einer möglichen frühen Entdeckung der Tat sehr riskant gewesen. Hätte der Angeklagte zuvor den Gülle-Schieber geöffnet, wäre zu erwarten gewesen, dass der Angeklagte sich nachher selbst auf das Hofgelände begeben hätte. Die Beweisaufnahme habe des Weiteren zu Tage gefördert, dass der Angeklagte in den Morgenstunden nach der Tatnacht bei Entdecken des geöffneten Gülle-Schiebers entsetzt und aufgebracht reagiert haben soll. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme könne auch nicht ausgeschlossen werden, dass es sich bei der Leerung des Gülle-Silos, wie es der Angeklagte von an Beginn an beteuert habe, um den Sabotageakt eines Dritten gehandelt habe. Unklar geblieben sei dagegen die Einordnung einer Chat-Nachricht des Angeklagten in der Tatnacht, gerichtet an einen Dritten, die sinngemäß gelautet habe, dass er – der Angeklagte – bei einem Rundgang festgestellt habe, dass alles laufe. Diese Erklärung sei aber nicht eindeutig und genüge allein nicht für eine Verurteilung.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Trotz Freispruchantrages kann die Staatsanwaltschaft Revision gegen das Urteil einlegen.
Quelle: Pressemitteilung des LG Hagen v. 09.10.2017
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