Aktuelles

Allgemein

Generalanwalt stellt Unabhängigkeit der deutschen Staatsanwaltschaft in Frage

Der Generalanwalt Manuel Campos Sánchez-Bordona ist in seinen Schlussanträgen vom 30.04.2019 in der Rechtssache C-508/18 zu dem Schluss gekommen, dass die deutsche Staatsanwaltschaft nicht unabhängig genug ist, um einen Europäischen Haftbefehl auszustellen.

Nach Art. 6 Abs. 1 des EU-Rahmenbeschlusses (2002/548/JI) kann ein Europäischer Haftbefehl nur von einer „Justizbehörde“ ausgestellt werden. Anders als im deutschen Recht, wo ein Richter tätig werden muss, können Europäische Haftbefehle somit grundsätzlich auch von Staatsanwaltschaften erlassen werden. Dem EuGH wurde nun vom irischen Obersten Gericht (Supreme Court) die Frage vorgelegt, ob die deutsche Staatsanwaltschaft Justizbehörde i.S.v. Art. 6 Abs. 1 sein kann. Der Generalanwalt kam zu dem Ergebnis, dass die deutsche Staatsanwaltschaft zwar Organ der Rechtspflege sei, aber daneben auch einem grundsätzlichen Weisungsrecht aus dem Justizministerium unterworfen und deswegen nicht unabhängig sei.

In dem Verfahren ging es um einen litauischen Staatsbürger mit Wohnsitz in Irland, der 1995 eine vorsätzliche Tötung und schwere Körperverletzung begangen haben soll. Um seine Auslieferung zu beantragen, erließ die Lübecker Staatsanwaltschaft einen Europäischen Haftbefehl nach Irland. Der Beschuldigte argumentierte vor dem irischen Hohen Gerichtshof (High Court), die deutsche Staatsanwaltschaft sei keine Justizbehörde im Sinne der Vorschrift, das Gericht war hingegen der Auffassung, dass die Exekutive nur ausnahmsweise eingreifen würde und dies im Falle des Litauers nicht der Fall gewesen sei. Der Supreme Court legte die Frage schließlich dem EuGH vor.

Der Generalanwalt hielt in seinen Schlussanträgen fest, dass die deutsche Staatsanwaltschaft nicht eine ähnlich unabhängige und Grundrechte sichernde Rolle innehabe wie ein Gericht. Hauptargument hierfür sei, dass sie schon nach deutschem Recht nicht dieselbe Rolle einnehme wie ein Gericht, das immer noch als Kontrollinstanz eingeschaltet sei. Demnach wäre es widersinnig, der deutschen Staatsanwaltschaft nicht die Befugnis zu verleihen, den weniger einschneidenden deutschen Haftbefehl auszustellen, hingegen aber den gravierenderen Europäischen Haftbefehl, der zu Auslieferung und wesentlich längeren Freiheitsentziehungen führen kann. Das Grundrecht der Garantie von gerichtlichem Schutz aus Art. 47 der EU-Grundrechtecharta sei bedroht.

Quelle: Nachrichten aus Brüssel 10/2019 v. 17.05.2019

Eine Antwort hinterlassen

Ihre E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*

captcha Bitte Code eintragen

* Die bezeichneten Felder sind Pflichtfelder.