Der BGH hat die Nichtzulassungsbeschwerde einer Gutachterin zurückgewiesen mit der Folge, dass das Urteil des OLG Saarbrücken zur Haftung einer Gerichtsgutachterin gegenüber einem nach Wiederaufnahme des Strafverfahrens Freigesprochenen rechtskräftig ist.
Der heute 74-jährige pensionierte Bundeswehrbeamte saß 683 Tage wegen sexuellen Missbrauchs seiner Pflegetochter unschuldig im Gefängnis. Er hat deshalb die damalige Gutachterin verklagt.
Das LG Saarbrücken hatte die Gutachterin wegen ihrer fehlerhaften Expertise zur Zahlung von 50.000 Euro verurteilt, da das psychologisches Gutachten, das zu seiner Verurteilung geführt hatte, wissenschaftliche Standards nicht eingehalten und insofern grob fahrlässig erstellt worden war. Das OLG Saarbrücken hatte im Berufungsverfahren die grundsätzliche Haftung der Beklagten bestätigt und das dem Kläger zustehende Schmerzensgeld um 10.000 Euro auf 60.000 Euro erhöht.
Das OLG Saarbrücken hatte die Begutachtung durch die Beklagte im Strafprozess unter Berücksichtigung der umfangreichen und vom Oberlandesgericht für in jeder Hinsicht überzeugend erachteten Ausführungen des zweitinstanzlich beauftragten Sachverständigen als grob fahrlässig fehlerhaft eingestuft. Die Beklagte habe noch im Jahr 2004 die vom BGH 1999 aufgestellten Anforderungen an eine aussagespsychologische Begutachtung in mehreren entscheidenden Punkten nicht beachtet. Die Kernaussage des Gutachtens der Beklagten, dass die Angaben der Belastungszeugin mit hoher Wahrscheinlichkeit als glaubhaft einzuschätzen seien, sei demnach nicht haltbar. Nach der im Regressprozess maßgeblichen Sicht des Oberlandesgerichts hätte eine strafrechtliche Verurteilung des Klägers nicht erfolgen dürfen. Die weiteren gegen den Schadensersatzanspruch erhobenen Einwände der Beklagten, insbesondere die Verjährungseinrede, habe das Oberlandesgericht eingehend geprüft und nicht für durchgreifend erachtet.
Bei der Erhöhung des erstinstanzlich zugesprochenen Schmerzensgeldes von ursprünglich 50.000 Euro auf jetzt 60.000 Euro fielen als besondere, den Kläger massiv belastende Umstände der mit der Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs der Pflegetochter verbundene Makel, die Umstände der Inhaftierung für insgesamt 683 Tage in verschiedenen Justizvollzugsanstalten und die erst Ende 2013 – dann allerdings umfassend – erfolgte Rehabilitierung ins Gewicht.
Das OLG Saarbrücken hatte die Revision nicht zugelassen. Hiergegen wandte sich die Beklagte mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde.
Der BGH hat die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision zurückgewiesen.
Nach Auffassung des BGH sind die Zulassungsvoraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht erfüllt. Die Rüge der Beschwerde, das Berufungsgericht habe für die Beurteilung des Kausalzusammenhangs zwischen dem fehlerhaften Gutachten der Beklagten und dem Strafurteil gegen den Kläger einen fehlerhaften Maßstab angelegt, greife nicht durch.
Für den Anspruch nach § 839a BGB sei danach zu unterscheiden, ob das unrichtige Gutachten für den Inhalt der gerichtlichen Entscheidung (mit-)ursächlich geworden sei („beruhen auf“; haftungsbegründende Kausalität) und ob der entstandene Schaden durch die von dem unrichtigen Gutachten beeinflusste Gerichtsentscheidung herbeigeführt worden sei (haftungsausfüllende Kausalität). Die (Mit-)Ursächlichkeit des Gutachtens der Beklagten für die strafgerichtliche Verurteilung des Klägers komme hinreichend deutlich darin zum Ausdruck, dass sich die Jugendkammer ausdrücklich auf dieses Gutachten gestützt habe.
Die darüber hinausgehenden Ausführungen des Berufungsgerichts betreffen die Frage, ob der geltend gemachte Schaden auf das vom unrichtigen Gutachten der Beklagten beeinflusste Strafurteil zurückzuführen sei, und somit die haftungsausfüllende Kausalität. Hierfür sei maßgebend, wie der Ausgangsprozess bei Vorlage eines richtigen Gutachtens des Sachverständigen richtigerweise hätte entschieden werden müssen.
Die Entscheidung des OLG Saarbrücken ist damit rechtskräftig.
Eine Antwort hinterlassen