Das OLG Stuttgart hat entschieden, dass die Vollstreckung von zwölf Monaten Freiheitsstrafe aus einem schweizerischen Strafurteil wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen unter anderem im Gotthard-Tunnel gegen einen deutschen Staatsbürger zulässig ist.
Der heute 43 Jahre alte, im Kreis Ludwigsburg wohnhafte Verurteilte wurde am 20.02.2017 in der Schweiz rechtskräftig zu der Freiheitsstrafe von dreißig Monaten unter Abzug der erlittenen Untersuchungshaft verurteilt. Hiervon wurde ein „bedingter Strafvollzug von 18 Monaten in einer Probezeit von drei Jahren gewährt“; der Rest der Strafe ist nach dem schweizerischen Urteil zu verbüßen. Dem in Abwesenheit ergangenen Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Am 14.07.2014 war der Verurteilte mit seinem Fahrzeug BMW Z4 bei einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 135 km/h durch den Gotthard-Tunnel gefahren und hatte dabei zehn Überholmanöver von insgesamt fünfzehn Fahrzeugen durchgeführt; weitere fünf Überholmanöver führte er kurz darauf im Piottino-Tunnel durch. Mit einer Geschwindigkeit von mehr als 200 km/h fuhr er – trotz des Tempolimits von 120 km/h auf schweizerischen Autobahnen – weiter, auch um der Polizei, die seine Verfolgung aufgenommen hatte, zu entkommen. Zu diesem Sachverhalt kamen drei weitere erhebliche Geschwindigkeitsverstöße am 12.07.2014 auf schweizerischen Autobahnen hinzu. Da der Verurteilte seinen Wohnsitz in Deutschland hat, stellte das Schweizerische Bundesamt für Justiz bei den deutschen Behörden den Antrag, die Strafe gegen den deutschen Staatsangehörigen in Deutschland zu vollstrecken.
Das LG Stuttgart hatte dies mit Beschluss vom 15.03.2018 mit der Begründung abgelehnt, dass ein solches Verhalten in Deutschland nur als Ordnungswidrigkeit zu werten sei, wegen der nur eine Geldbuße verhängt werden könnte; die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe von einem Jahr sei im Hinblick darauf unverhältnismäßig. Die Vollstreckung des in der Schweiz ergangenen Urteils widerspreche wesentlichen Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung.
Das OLG Stuttgart hat auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Stuttgart den Beschluss des Landgerichts aufgehoben und die Vollstreckung für zulässig erklärt, soweit der Verurteilte darin zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten in der Bundesrepublik Deutschland wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen u.a. im Gotthard-Tunnel nach schweizerischem Strafrecht wegen „Gefährdung des Lebens und wiederholter grober qualifizierter Verletzung der Verkehrsregeln“ verurteilt wurde. Die Übernahme der Vollstreckung der vom schweizerischen Gericht zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von weiteren achtzehn Monaten hat das Oberlandesgericht hingegen in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft Stuttgart für unzulässig erklärt, da die Übernahme der Bewährungsaufsicht bei einer zur Bewährung ausgesetzten Strafe vom Gesetz über die Internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG) hier nicht vorgesehen sei.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts steht der Vollstreckung der zwölfmonatigen Freiheitsstrafe nicht entgegen, dass das schweizerische Urteil in Abwesenheit ergangen ist; der Verurteilte hatte Kenntnis vom Verfahren, er hatte vom schweizerischen Gericht Ladungen unter Hinweis auf die Folgen seines Nichterscheinens erhalten, dennoch hatte er unentschuldigt bei Gericht gefehlt; ein Pflichtverteidiger des Verurteilten hatte an den Verhandlungen in der Schweiz teilgenommen und einen Schlussvortrag für den Verurteilten gehalten. Es sei somit nicht gegen das Recht auf ein faires Verfahren aus Art. 6 der EMRK verstoßen worden.
Weiter sei auf den eindeutigen Wortlaut von § 49 Abs. 1 Nr. 3 IRG zu verweisen, wonach auch dann eine im Ausland verhängte Freiheitsstrafe in der Bundesrepublik Deutschland vollstreckt werden könne, wenn hier aufgrund des geahndeten Verhaltens nur Ordnungswidrigkeiten vorlägen. Es komme dabei auf die beiderseitige Sanktionierbarkeit, nicht auf die beiderseitige Strafbarkeit an. Die Vollstreckbarerklärung sei auch nicht unverhältnismäßig, da im Hinblick auf das festgestellte Verhalten des Verurteilten eine Freiheitsstrafe von zwölf Monaten möglicherweise zwar als hart angesehen werden könne, jedenfalls aber nicht als „unerträglich und in keiner Weise vertretbar“ zu beurteilen sei. Auch liege kein Verstoß gegen den deutschen „Ordre Public“ und die wesentlichen Grundsätze der deutschen Rechtsordnung vor. Hierfür spreche im Übrigen bereits, dass der deutsche Gesetzgeber mit Wirkung zum 13.10.2017 in Deutschland § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB eingeführt habe, der die Nachstellung eines Autorennens in der Absicht der Erreichung einer höchstmöglichen Geschwindigkeit durch (auch nur) eine einzelne Person nunmehr ebenfalls unter Strafe stelle.
Gegen die Entscheidung des OLG Stuttgart ist kein weiteres Rechtsmittel möglich.
Quelle: Pressemitteilung des OLG Stuttgart v. 25.04.2018
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